Ausschuß “Arbeit …” vom 15.12.2016

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat­te der Bei­rat mit dem Job­cen­ter West die Arbeits­lo­sen­zah­len des Stadt­teils erör­tert. Das hat einen guten Über­blick über die Lage gebracht. Aber es blieb die Fra­ge, was die Bei­rats­mit­glie­der kon­kret tun könn­ten, um die Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit zu verringern.

In einem schon mit hoher Sach­kennt­nis geführ­ten Gespräch mit Fach­leu­ten der Arbeit­neh­mer­kam­mer erhoff­ten wir uns neue Erkennt­niss und Impul­se, die wir im neu­en Jahr ver­tie­fen wollen.

Dem­nach soll es so sein, das die Bun­des­mit­tel der Bun­des­agen­tur für Arbeit inner­halb der Bun­des­agen­tur schon gewich­tet ver­teilt wer­den. Bre­men oder Städ­te in NRW sol­len soge­nann­te “Regio­nen mit hohem Pro­blem­druck” sein. Die Fra­ge ist, ob dies ausreicht.

Es blieb unklar, ob bei Ein­füh­rung von Hart­zIV die Vor­ga­be von “maxi­mal 150 Arbeits­lo­sen ü25” pro Arbeits­ver­mitt­ler oder doch eher pro Job­cen­ter­mit­ar­bei­ter gedacht war, auch wenn es in der Ankün­di­gung damals 150 Men­schen pro Arbeits­ver­mitt­ler waren. Der Umstand, das ein Arbeits­ver­mitt­ler 250 oder gar 350 Men­schen zu betreu­en hat und Ver­mitt­lungs­er­fol­ge vor­wei­sen soll, führt aller­dings dazu, das er sich auf die am ehes­ten ver­mitt­lungs­fä­hi­gen Men­schen küm­mert. Das führt dann zwangs­läu­fig zu einem Sockel an Lang­zeit­ar­beits­lo­sen, um die sich auch die Arbeits­ver­mitt­lung des Job­cen­ters nicht mehr (aus­rei­chend) küm­mert. Mit beson­de­ren Pro­blem­la­gen etwa im Bereich Gesund­heit, die nach Ansicht der Arbeit­neh­mer­kam­mer bis­lang zuwe­nig beach­tet werden.

Ver­wie­sen wur­de dabei auf ein Kon­zept des Job­cen­ters Essen zu einer inte­grier­ten Gesund­heits- und Arbeits­för­de­rung. Denn gesund­heit­li­che Ein­schrän­kun­gen sind oft ein Grund, das kein neu­er Arbeits­platz am ers­ten Arbeits­markt mehr gefun­den wer­den kann. Die Ver­zah­nung der Job­cen­ter — auch im Rah­men des Prä­ven­ti­ons­ge­set­zes — mit Leis­tun­gen der Kran­ken­kas­se könn­te man daher eben­falls ein­ge­hen­der beleuchten.

Eine inter­es­san­te Fra­ge ist, wie das Job­cen­ter zu den Annah­men in ihrem jähr­li­chen Arbeits­markt­po­li­ti­schen Akti­ons­pro­gramm kommt. Dort wird z.B. vor­ge­ge­ben, das eine Sum­me x an Umschu­lun­gen in dem Beruf y oder eine Anzahl an Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men x geför­dert und dann extern bei Bil­dungs­trä­gern ein­ge­kauft wer­den. Und dann wer­den Men­schen für die­se Pro­jek­te aus­ge­wählt. Ent­spricht das aber tat­säch­lich dem, was die Arbeits­lo­sen benö­ti­gen? — Oder wer­den evtl. Men­schen Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men “ver­ab­reicht”, die an den tat­säch­li­chen Bedarf vorbeigehen?

So wur­de in der Run­de berich­tet, das in einem Job­cen­ter stu­dier­te Arbeits­lo­se bes­ser in Rich­tung einer Nut­zung ihrer vor­han­de­nen Aus­bil­dung bera­ten und auch gecoacht wer­den, wäh­rend in ande­ren Job­cen­tern eher die Ver­mitt­lung “in Arbeit in egal was” im Vor­der­grund steht und der Arbeits­lo­se eher allein gelas­sen wird, wenn er in sei­nem Qua­li­fi­zie­rungs­pro­fil wei­ter­kom­men möchte.

Dann ging es um die Fra­ge der Aus­bil­dung. Es gibt die Tren­nung in Arbeits­lo­se unter und über 25 Jah­re. Für ers­te­re Grup­pe scheint die Aus­bil­dung im Vor­der­grund zu ste­hen. Aber was ist z.B. mit einem 40jährigem, der auch noch 27 Jah­re arbei­ten soll? Für den könn­te u.U. auch eine Aus­bil­dung noch sinn­voll sein. Hier wur­de gesagt, das in sol­chen Fäl­len eine Aus­bil­dung auf 2 Jah­re gekürzt geför­dert wird, was einen zusätz­li­chen Druck ggü. einer vllt. sonst drei­jäh­ri­gen Aus­bil­dung bedeu­tet. Für Men­schen die bis­her vllt. eher Nega­tiv­erleb­nis­se mit der Schu­le ver­bin­den und das Ler­nen ohne­hin lan­ge zurück­liegt, eine vllt. zu schwe­re Hür­de. Und es gibt kei­ne zusätz­li­che finan­zi­el­le Moti­vie­rungs­hil­fe. Aber von allen Sei­ten wird die man­geln­de Aus­bil­dung von län­ger Arbeits­lo­sen beklagt und dann müss­te auch in län­ge­re Qua­li­fi­zie­run­gen mit Abschlüs­sen inves­tiert werden.

Die Job­cen­ter ver­mit­teln zu 40 % in die Zeit­ar­beit und dort dau­ern vie­le Arbeits­ver­hält­nis­se kür­zer als 3 Monate.

Es wur­de nicht als sinn­voll ange­se­hen, ver­gleich­bar zur Schwer­be­hin­der­ten­ab­ga­be ein ähn­li­ches Sys­tem für Lang­zeit­ar­beits­lo­se ein­zu­rich­ten. Für einen Teil die­ser Grup­pe soll­te eher ein öffent­li­cher Beschäf­ti­gungs­markt (wie­der) ein­ge­führt werden.

Für die Betei­li­gung der Wirt­schaft wur­de eher der Bereich Aus­bil­dung und hier ggf. eine Aus­bil­dungs­ab­ga­be als sinn­voll ange­se­hen. Die­ses The­ma wird auf Bun­des­ebe­ne aber auch schon jahr­zehn­te­lang ver­folgt und war bis­her nie durch­setz­bar. Und in Bre­men ist es ja so, das dann doch vie­le Fir­men aus­bil­den — aber mit Schul­ab­gän­gern aus Nie­der­sach­sen. Das mag dem eige­nen Beschäf­ti­gungs­spie­gel in den Fir­men mit z.B. Eltern aus Nie­der­sa­chen geschul­det sein, aber Bre­men muss sich da sicher auch selbst an die Nase fas­sen bzgl. Aus­bil­dungs­fä­hig­keit der Schulabgänger.

Es bestand Über­ein­kunft, das beim The­ma Pas­siv-Aktiv-Trans­fer viel zu wenig oder auch nichts auf Bun­des­ebe­ne erreicht wur­de und in die­ser Legis­la­tur­pe­ri­ode auch nichts mehr geschieht. Pilot-Pro­gram­me in ande­ren Bun­des­län­dern sol­len ähn­lich wie das jetzt in Bre­men anlau­fen­de Pro­gramm “LAZLO” sein und ent­we­der aus Lan­des-/Kom­mu­nal­mit­teln oder aus EU-Mit­teln geför­dert werden.

Zur Erklä­rung: Die Wohn­kos­ten eines Hart­zIV-Emp­fän­gers zahlt (über­wie­gend) die Kom­mu­ne, den Hart­zIV-Satz der Bund. Legt das Land Bre­men jetzt ein Pro­gramm wie LAZLO zur Schaf­fung von 500 sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Arbeits­plät­zen für Lang­zeit­ar­beits­lo­se auf, so zahlt es die Kos­ten dafür kom­plett aus sei­nen eige­nen Mit­teln bzw. dem ihm zuste­hen­den EU-Mit­teln, die dann z.B. für ande­re arbeits­markt­po­li­ti­schen Maß­nah­men wie die o.g. ver­mehr­ten Aus­bil­dun­gen feh­len. Der Bund hin­ge­gen wird von sei­nen Hart­zIV-Kos­ten ent­las­tet. Es ist klar, das dies 1. unge­recht ist und 2. gera­de für ein Haus­halts­not­la­ge­land wie Bre­men nur im ganz klei­nen Umfang mög­lich ist.

Der Pas­siv-Aktiv-Trans­fer bedeu­tet, das bis­her für die Pas­si­vi­tät gezahl­te Leis­tun­gen auch für Akti­vi­tät zur Ver­fü­gung ste­hen. D.h. bei der Schaf­fung eines sozia­len Arbeits­mark­tes auch die Leis­tun­gen des Bun­des erhal­ten blei­ben und nicht per­spek­tiv­lo­se Nicht­be­schäf­ti­gung, son­dern akti­vie­ren­de Beschäf­ti­gung finan­ziert wird. Nur mit dem Pas­siv-Aktiv-Trans­fer wird es mög­lich sein, eine wirk­lich sicht­ba­re Grö­ße an sozi­al sinn­vol­len Beschäf­ti­gun­gen dau­er­haft anzu­bie­ten. Er ist für Grö­pe­lin­gen mit sei­ner hohen Anzahl an gesund­heit­lich ein­ge­schränk­ten Lang­zeit­ar­beits­lo­sen zwin­gend notwendig.

Daher kommt der kom­men­den Bun­des­tags­wahl wie­der eine ent­schei­den­de Bedeu­tung zu. Grö­per­lin­ge­rIn­nen soll­ten nur sol­che Par­tei­en wäh­len, die sich für eine wirk­li­che Ver­bes­se­rung bei der Lage der Lang­zeit­ar­beits­lo­sen ein­set­zen, damit sinn­vol­le Beschäf­ti­gungs­pro­jek­te wie etwa beim Wil­den Wes­ten lang­fris­tig ange­bo­ten kön­nen. Die­se Pro­jek­te haben gezeigt, das Arbeit nicht nur Geld­erwerb, son­dern auch sozia­le Teil­ha­be und Lebens­struk­tur bie­ten. Sie kön­nen auch die Struk­tur einer “Beschäf­ti­gungs­lo­sig­keit über Gene­ra­tio­nen” auf­bre­chen und hel­fen, der Arbeits­lo­sig­keit den Nach­wuchs zu neh­men. Der Pas­siv-Aktiv-Trans­fer ist der ent­schei­dend not­wen­dig Schritt im Kampf gegen die Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit in Grö­pe­lin­gen der end­lich gegan­gen wer­den muss.

 

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