Inakzeptable Benennung Oslebshausens 21. Juli 201913. August 2019 Im heutigen Kurier am Sonntag wurde ein Leserbrief abgedruckt, dem einfach jeder hier länger wohnende Bürger Gröpelingens widersprechen muss — findet Dieter Steinfeld. Der Leserbrief im Wortlaut: Zum Artikel „SWB stellt Forderungen an Kohleausstieg“ vom 25. Juni: Die Müllkippe der Stadt Die SWB möchte, dass die Politik Überzeugungsarbeit bei den Bürgern leistet, um die Akzeptanz für eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage bei den betroffenen Anwohnern in Oslebshausen und Gröpelingen zu erhöhen. Die SWB verschweigt aber, dass es sich hierbei mit einer geplanten Kapazität von bis zu 250 000 Tonnen feuchten Klärschlamms jährlich um eine der ganz großen Anlagen in Deutschland handelt. Hier soll ein Großteil des in Nordwestdeutschland anfallenden Klärschlamms verbrannt werden. Ebenfalls nicht erwähnt wird die Tatsache, dass bei der Verbrennung von getrocknetem Klärschlamm in etwa genau so viel CO₂ freigesetzt wird wie bei der Verbrennung von Braunkohle. Angesichts der Klimadebatte ist dies nur schwer zu vermitteln, benötigen wir doch eine deutliche CO₂-Reduktion. Der Klärschlamm aus dem nordwestdeutschen Raum muss mit zahlreichen Lkw angeliefert, die anfallenden Verbrennungs-Rückstände abgefahren werden, was für zusätzliche Belastungen für Umwelt und Anwohner sorgen wird. Alternativen, die ohne Verbrennung auskommen, wie Klärschlamm-Vererdung oder das Pyreg-Verfahren, die in den Klärwerken vor Ort passieren und somit umweltfreundlicher sind, werden erst gar nicht in Betracht gezogen. Gröpelinger und Oslebshauser sind durch zahlreiche Betriebe der Abfallwirtschaft, die sich in den in den Häfen angesiedelt haben, jetzt schon über Gebühr belastet. Vor diesem Hintergrund sind wir nicht mehr dazu bereit, weitere Belastungen hinzunehmen und zuzulassen, dass unser Stadtteil zur Müllkippe der Stadt gemacht wird. DIETER UND ULRIKE WINGE, BREMEN, MITGLIEDER DER BÜRGERINITIATIVE OSLEBSHAUSEN UND UMZU Dazu äußert sich Dieter Steinfeld: Ich finde es inakzeptabel, wie im Leserbrief der Stadtteil schlecht geredet wird. Seit 20 Jahren engagiere ich mich hier ehrenamtlich und kann behaupten, einige positive Dinge für den Stadtteil bewirkt zu haben. Deshalb kann dieser Leserbrief so nicht unwidersprochen bleiben. Wenn man nach Bremen zieht, dann zieht man in eine der grünsten und kompaktesten Großstädte Deutschlands. Man zieht aber auch an einen der größten Industrie- und Logistikstandorte Deutschlands. Wenn man nach Oslebshausen zieht, dann zieht man in einen dank der Regio-S-Bahn citynahen Stadtteil mit vielen kleinen Häusern und Grünflächen im Umfeld. Man zieht aber auch in einen Stadtteil, der sehr viele Industrie und Gewerbeflächen selbst und im Umfeld hat und wie z.B. auch Hemelingen ein industrielles Schwerpunktgebiet Bremens ist. Wenn man das nicht akzeptiert, dann muss man dort nicht hinziehen. Bremen bietet ausreichend Alternativen. Um es überspitzt auszudrücken: Man kann als Neubürger — ich bin selbst im Jahr 1993 zugezogen — aus Oslebshausen keinen Luftkurort oder reinen Wohnort machen. Oslebshausen ist auch angrenzend Seehafengebiet mit Betrieb rund um die Uhr; ist auch das Stahlwerk und der Bremer Industriepark in Grambke, ist auch Raffineriestandort als Altlast, ist auch die BAB A27 am Ortsteilrand. Zum Leserbrief folgende Richtigstellungen: Die Überschrift ist anmaßend und beleidigt den Stadtteil, der viele Vorzüge hat. U.a. hat er sehr viele Grünflächen. Aber ja — in Gröpelingen gibt es auch Industriebetriebe und die Abfallwirtschaft. Letztere gibt es allerdings auch in anderen Stadtteilen (Mülldeponie im Blockland, Müllheizkraftwerk in Findorff/Horn, Kohlekraftwerk Hastedt, Industriegebiete in Hemelingen etc.). Bezeichnen sich Findorff oder Horn als „Müllkippe der Stadt“, weil sie eine vergleichsweise riesige Müllverbrennungsanlage am Rand haben? Bezeichnet sich Walle so, weil sie die Mülldeponie haben?Die swb verschweigt die Mengen nicht. Sie werden offen vom Bauherrn KENOW kommuniziert. Die swb will/muss/soll aus der Kohleverbrennung aussteigen und hat daher ein hohes Interesse an alternativen Energieerzeugungen. Die Fernwärmeversorgung auch vieler Gröpelinger Häuser soll dabei erhalten bleiben. Das trifft sich mit dem Entsorgungsproblem von Hansewasser und dem OOWV. Und es ist im Zweifel besser, wenn die Fernwärme erhalten werden kann, als wenn in Gröpelingen viele kleine Einzelheizungen in den Wohnungen eingebaut werden müssten.Ca. 200 — 250.000 Tonnen sind die bisher genannten möglichen Mengen an getrocknetem Klärschlamm. Obwohl der Klärschlamm bereits getrocknet ist, besteht er noch zu ca. 75 % aus Wasser. Die reine Trockenmasse liegt nur bei ca. 25 %. Das ergibt eine Menge, die weniger als 10 % der Verbrennungskapa-zität des Müllheizwerkes in Findorff/Horn ausmacht. Bereits heute wird Klärschlamm im Müllheizwerk in Findorff/Horn mitverbrannt – es ist also im Prinzip nichts Neues für Bremen, sondern die Klärschlammverbrennung gibt es bereits seit vielen Jahren in Bremen. Nur im geringeren Umfang als jetzt notwendigerweise geplant.Ziel ist es, das die Kohleverbrennung am Standort Hafen absehbar (2023/2025) eingestellt wird. Die größten Importländer für Steinkohle sind für Deutschland Russland, USA, Kolumbien, Australien, China. Woher die Kohle der SWB importiert wird, das entzieht sich meiner Kenntnis. Auf jeden Fall reduzieren sich die Transportwege bei Nutzung von in der Region anfallenden Verbrennungsstoffen in einem riesigen Umfang und entsprechend wird auch CO2 eingespart. Ist Kohle etwa aus China umweltfreundlicher für die Leserbriefschreiber als die Nutzung von Brennstoffen aus der Region?Desgleichen kommt es zur erheblichen CO2-Einsparung, da bisher der Klärschlamm aus der Region zu einem Großteil in weit entfernte Gebiete Deutschlands transportiert wird: Z.B. zur Ausbringung auf Äcker in Mecklenburg-Vorpommern oder zur Mitverbrennung in Braunkohlekraftwerken in Niedersachsen oder der Lausitz. Das müsste alles in einer CO2-Bilanz gegengerechnet werden. Das machen die Leserbriefschreiber nicht.Der Anfall von Klärschlamm ist im Kern etwas Gutes. Wir produzieren alle Abwasser. Möchte man keinen Klärschlamm, dann muss man das Abwasser ungefiltert in die Flüsse einleiten. Das hätte den Tod der Flüsse und Meere zur Folge und kann keiner wollen. Jahrzehntelang wurde Klärschlamm auf Ackerflächen verteilt – zusätzlich zur Gülle aus der (nicht zur Fläche passenden Massen)-Tierhaltung. Das hat jetzt fast das gesamte Grundwasser im Nordwesten mit zu hohen Nitrat- und Phosphatwerten belastet. Daher ist diese Ausbringungsart durch ein Bundesgesetz verboten worden – mit Ausnahmen für kleinere Kläranlagen, was aber auch nicht wirklich richtig ist. In den nächsten Jahren müssen daher eine ganze Reihe von Klärschlammverbrennungsanlagen in der Bundesrepublik neu entstehen. Eine Klärschlammverbrennungsanlage ist also weniger umweltschädlich als die Ausbringung auf Äckern oder das Verbuddeln in der Erde, wie es die Leserbriefschreiber als Alternative vorschlagen.Im vorhandenen LKW-Verkehr fallen die An- und Ablieferverkehre für die neue Anlage kaum auf. Durch die Vermarktung der freien Industrie- und Gewerbeflächen im Bremer Industriepark und entlang der Hüttenstraße wird der LKW-Verkehr zukünftig weit stärker zunehmen. Gleichzeitig gehen die vorliegenden Studien mit der Inbetriebnahme des Wesertunnels von einer starken Reduzierung des heutigen LKW-Verkehrs vom GVZ über die Stephaniebrücke und die Hafenrandstraße in den Industriehafen aus. Bringen also Entlastung für die an dieser Straße wohnenden Menschen in Gröpelingen. Die Anlieferung per LKW hat den Vorteil, das der Transport bedarfsgerecht direkt in die Anlageschleuse erfolgen kann. Bei einem Schiff würden größere Mengen transportiert, die vor Ort unter freiem Himmel aus dem Schiff (über mehrere Tage) ausgeladen werden würden. Diese Variante ist im Zweifel anfälliger für Betriebsstörungen.Der KENOW-Verbund hat sehr wohl technische Alternativen geprüft. Vllt. bringt der technische Fortschritt eines Tages Lösungsschritte, die besser als eine Verbrennung sind. Heute soll es diese für die anfallenden Mengen nicht geben. Deshalb werden nicht nur in unserer Region, sondern bundesweit eine Vielzahl an Klärschlammverbrennungsanlagen geplant.Der Stadtteil Gröpelingen hat in den letzten Jahren erhebliche und spürbare Senkungen von Schadstoffbelastungen und Emissionen erfahren. Das sagen auch die Gröpelinger und Oslebshauser selbst und sage ich, der viele Jahre in der Hüttenstraße gearbeitet hat. Z.B. mit Blick auf das Stahlwerk von Arcelor Mittal, wo aber auch noch weitere Maßnahmen zur Emissionssenkung — etwa der Ersatz von Koks durch Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien – beabsichtigt sind. Auch die Abschaltung des kleinen Kohlekraftwerkes Block 5 hat die Schadstoffbelastung gesenkt. Sollte der große Block 6 abgeschaltet werden, dann reduziert sich der Schadstoffausstoß nochmals erheblich. Eine zukunftsfähige kleine Klärschlammverbrennungslage würde der swb den Schritt erleichtern. Sinnvolle Handlungsfelder für die Bürgerinitiative ergeben sich auf ganz anderen Feldern. Z.B. wird zur Zeit aktiv der Bebauungsplan 2434 erstellt, der den bisher ungeplanten Innenbereich zwischen Tillmannstraße und Pulverberg ab 200 Meter Entfernung zur Wohnbebauung (Wohlers Eichen) in ein Industriegebiet umwandeln soll! Auch andere Wohngebiete im 500 Meter Umkreis wie Auf den Heuen, Auf den Hunnen, Reiherstraße etc. wären davon möglicherweise stark negativ betroffen. Damit würde ein neues Industriegebiet so nah wie vermutlich nirgends in der Stadt direkt an Wohngebiete ausgewiesen werden. Das muss mit Vehemenz verhindert werden! Pressemitteilungen der Initiative dazu? – Leider Fehlanzeige bisher. Es wird für den Stadtteilbeirat Gröpelingen eines der wichtigsten Aufgabe in der anlaufenden Legislaturperiode sein, da man sich mit einem neuen Industriegebiet so nah an schon heutigen Wohngebieten ggü. der Zukunft Oslebshausens versündigen würde. Eine Hauptbelastung in Gröpelingen stellt dazu der Autoverkehr u.a. im Heerstraßenzug dar. Sehr oft staut sich dort der Verkehr über Kilometer. Viele Autofahrer aus anderen Stadtteilen und dem Umland fahren im länglichen Bremen durch Gröpelingen und Oslebshausen durch. Der ÖPNV und der Radverkehr müssen (noch) attraktiver gemacht werden. Das 3. Bahngleis Bremen — Bremerhaven, Ausweitung der Fahrzeiten der Busse; evtl. ein Quartiersbus für Oslebshausen, evtl. strombetriebene Oberleitungsbusse vom Depot bis zum alten Wendeplatz in Grambke wie es sie schon einmal bis 1961 gab, gute Radwege, Radpremiumrouten, evtl. Nutzung der Hafeneisenbahn (vom Bahnhof Oslebshausen bzw. vom Stahlwerk entlang der Hafenrandstraße über die Überseestadt bis zum Hauptbahnhof) für den Personenverkehr. Ein weites Aufgabefeld für weniger Emissionen im Stadtteil. Nicht zuletzt gilt es auch an die nachfolgenden Generationen zu denken. An unserer Kinder, Enkel, Urenkel und die da noch nachkommen werden. Seit vielen Monaten protestiert eine junge Generation auch in Bremen an manchen Freitagen für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Wir können in Verantwortung für die nächsten Generationen nicht so weiter machen wie bisher. Der Klärschlamm fällt in der Region an. Es gibt ein massvies Entsorgungsproblem. Es gibt die neuen gesetzlichen Vorschriften. Eine Verbrennung bedeutet eine erhebliche Mengenreduzierung und erzeugt nebenbei Strom und am Standort Hafen auch Wärme. Es muss für diesen Teil keine aus anderen Kontinenten hierher transportierte Kohle mehr verbrannt werden. Damit ist diese Maßnahme ein aktiver Beitrag im Sinne der “Friday for Future”-Bewegung. Wie kann man sich als verantwortungsbewusster Mensch dagegen stellen und weiter Kohle verbrennen wollen? teilen teilen E‑Mail RSS-feed teilen teilen
Hallo Herr Steinfeld, als Mitverfasser des von Ihnen monierten Leserbriefes sehe ich mich nun doch dazu genötigt, einige ihrer Aussagen aufzugreifen, da diese so nicht richtig sind. Eins vorweg: bezüglich der von ihrer Partei unterstützten Klärschlammverbrennungsanlage in der bisher geplanten Form sind wir grundsätzlich unterschiedlicher Ansicht, dies wird vermutlich auch so bleiben; trotzdem sollten wir versuchen, fair miteinander um zu gehen und keine Falschaussagen zu treffen. 1. Die Überschrit ist nicht von uns gewählt worden, sondern diese hat der WK so gewählt. Wir schrieben lediglich “Gröpelinger und Oslebshauser sind durch zahlreiche Betriebe der Abfallwirtschaft, die sich in den in den Häfen angesiedelt haben, jetzt schon über Gebühr belastet. Vor diesem Hintergrund sind wir nicht mehr dazu bereit, weitere Belastungen hinzunehmen und zuzulassen, dass unser Stadtteil zur Müllkippe der Stadt gemacht wird.” Wir haben nicht behauptet, der Stadtteil sei jetzt bereits eine Müllkippe. 2.Wir haben auch nicht behauptet, die SWB verschweige die Mengen an Klärschlamm, sondern wir haben kritisiert, dass diese Mengen im Artikel nicht benannt wurden. 3. Die Menge wird von Ihnen falsch benannt; nach KENOW- Angaben sollen hier 200.000 bis 250.00 Tonnen feuchter Klärschlamm verbrannt werden, was in etwa 50.000 t Trockenmasse entspricht. 4. Den Vergleich mit der Kohle haben wir gar nicht angeführt; wir sprachen lediglich davon, dass bei der Verbrennung von Klärschlamm in etwa genausoviel CO 2 freigesetzt wird wie bei der Braunkohleverbrennung; dies ist durch Quellen des Bundesumweltministeriums belegt. 5. Um die Rechnung ihres Ressorts nachvollziehen zu können, fehlen uns die Daten. Uns geht es als BI (wir sind keine Politiker) in erster Linie um die Belastungen des Stadtteils (davon haben wir bereits genug!) und weniger um die Gesamtbilanz; KENOW sprach davon, dass es 10 weitere Standorte gegeben hat, die geprüft worden sind; warum muss eine derartige Anlage gerade in einer Großstadt entstehen? 6. Hier gibt es im Kern keinen großen Dissenz; nur wird dann in der Bremer Anlage — die im Übrigen die viertgrößte der Republik werden soll — der Klärschlamm der gesamten nordwestdeutschen Region angeliefert und verbrannt; wäre es nur der Bremer Klärschlamm, so würde die Anlage nur etwa ein Viertel der geplanten Kapazität benötigen (in Bremen fallen etwa 60.000 Tonnen nasser Klärschlamm an) Eine solche Anlage würde auf erheblich weniger Widerstand stoßen. 7. Nach KENOW-Angaben entstehen zusätzliche Verkehre in der Größenordnung von 30 LKW pro Tag für die Anlieferung und 10 für An- und Abtransport von Betriebsstoffen; Dies führt zu einer Erhöhung des LKW-Verkehrs von immerhin 2,5% . 8. Kein Dissenz, schauen wir mal. 9.Die Situation in den Industriehäfen hat sich in der letzten Zeit grundlegend gewandelt; waren früher viele “normale” Hafenbetriebe ansässig, so haben sich in den letzten Jahren vermehrt Betriebe der Abfallwirtschaft angesiedelt (insgesamt 23 in den Häfen). Diese verursachen zum Teil erhebliche Emissionen (TSR Recycling, Nehlsen-Plump). Vor diesem Hintergrud reagiert die Bevölkerung sehr empfindlich auf die (befürchtete) Entstehung zusätzlicher Belastungen. Alle von Ihnen im Folgenden angeführten Punkte finden unsere Unterstützung. Bei der Frage der Veränderung des Bebauungsplanes Gebiet Riedemannstr. waren Mitglieder der BI in der entsprechenden Bauaussuss und Beiratssitzung anwesend (ich persönlich auch) und haben ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Außerdem war dieser Punkt ebenfalls Thema bei unseren stattgefundenen Gesprächen, die wir im Rathaus geführt haben. Lassen Sie uns also bitte keine Widersprüche aufbauen wo es keine gibt und sachlich und konstruktiv an einer — möglichst gemeinsamen — Lösung der Probleme des Stadtteils arbeiten. In diesem Sinne! Dieter Winge